03.02.2015
Reise ins Zentrum der Qualität
Als wir von Helen Dettwiler 2013 hörten, dass sie unsere Praxis wegen ihrer Pensionierung im Mai 2015 verlassen wird, war schneller, besser, billiger, kommandieren und kontrollieren für Brigitta Raimann und Andreas Ledermann als Führungs-Team der Naturheilpraxis, keine Optionen. Wir dachten jedoch kurz daran die Praxis aufzulösen und im privaten Rahmen weiterzumachen.
Brigitta Raimann und Andreas Ledermann gründeten 1988 nach mehrjähriger Tätigkeit in Praxis-Gemeinschaften in Zürich, ihre erste eigene Naturheilpraxis in Zug. Rund 17 Jahre hatte Helen die Naturheilpraxis mit ihrer Präsenz, Achtsamkeit, ihrer Menschlichkeit und nicht zuletzt mit ihrem Angebot bereichert. Helen Dettwiler, Brigitta Raimann und Andreas Ledermann, bildeten während Jahren zusammen die fachliche Leitung. Die Klarheit wie Helen ihre Pensionierung plante, hatte Brigitta und mich beeindruckt und auch aufgerüttelt. Unsere eigene Pensionierung und Endlichkeit wurde schlagartig zum Thema. Eine Reise ins Zentrum all unserer Projekte begann. Die Idee eine kleine Praxis nur für uns zwei zu haben und die bestehende Naturheilpraxis Zug aufzugeben, war sehr verlocken. Eine Praxis braucht viel Aufmerksamkeit, Arbeit und Mut zur Kooperation. Wir haben uns in die Natur zurückgezogen und die Dienste von Organisations-Entwicklern in Anspruch genommen. Unsere alten Werte wie Ganzheitlichkeit, Achtsamkeit, Selbsterkenntnis, Kooperation und Gesundheit, sind uns dadurch wieder ganz bewusst geworden und das alte Feuer für die Praxis-Gemeinschaft ist zurückgekehrt.
Unsere verschiedenen Projekte.
Brigitta und ich bleiben das Leitungsteam und haben einen neuen fünf Jahres Vertrag unterschrieben mit der Option auf weitere 5 Jahre. In der Zwischenzeit haben wir begonnen alle unsere Projekte auf ihre Qualität und auf die oben genannten Werte zu überprüfen. Die Schule für holistische Naturheilkunde hat als Kerngeschäft die Polarity Aus- und Weiterbildungen. Zusammen mit der Schweizer Charta für Polarity® sind wir seit vier Jahren auf einem Weg ins Zentrum der Qualität. Wie können wir die Qualität sichern in allen unseren Projekten? Was genau ist Qualität?
Braucht es überhaupt eine Qualitätssicherung?
Diese Frage habe ich Dr. Ronald Schnetzer der Autor von verschiedenen Management-Bücher ist, kürzlich gestellt. Wenn jeder das macht was notwendig ist, also jeder die Verantwortung für seine Tätigkeit und Schritte übernimmt, braucht es keine Qualitätssicherung, weil Qualität schon da ist. Qualitäts-Standards bergen die Gefahr der Überregulierung und sind oft Fehlerquellen.
In seinem neuen Buch Achtsames Prozessmanagement das 2014 im Springer Verlag erschienen ist zeigt er auf, wie wichtig Prozessmanagement, Achtsamkeit, Selbsterkenntnis, Excellenz und eine Unternehmens Kultur ist, welche definiert und auch gelebt wird. Natürlich spricht auch er über Qualität in seinem Buch. Was ist eigentlich gemeint mit Qualitätssicherung? Im Wort Sicherung verbirgt sich Sicherheit und Schutz aber auch Kontrolle. Mit dem Begriff Kontrolle verbinde ich Herrschaft, Gewalt und Führung. Herrschaft ist die philosophische Grundlage der Bürokratie, meinte Max Weber ganz treffend.
Was ist Qualität?
Eine alte Branchenweisheit besagt: Qualität ist wenn der Kunde zurückkommt.
Schnetzer beschreibt das Qualität Leistung (Prozessergebnis) durch Anforderung (Was der Kunde will) ist. Das Ergebnis ist = 1. Es geht also nicht darum weniger als 1 oder mehr als 1 zu liefern, sondern das was der Kunde wünscht.
Wir denken in der heutigen Zeit ist die Nachhaltigkeit, Achtsamkeit und Selbsterkenntnis wichtiger als schneller, besser, billiger. Der Bio-Pionier Alnatura wurde 2011 zu Deutschlands nachhaltigstem Unternehmen gewählt. Für Alnatura ist der Mensch als Kunde und Mitarbeiter Ziel und Grundlage des Unternehmens. Ihr Handeln hat die Prinzipien von Ganzheitlichkeit, Kundenorientiertheit, Selbstverantwortlichkeit und vernetztem Denken. Die Produkte werden hinsichtlich der Verträglichkeit von Mensch und Natur überdacht.
Wer beeinflusst unsere Meinung in der westlichen Welt?
Das Times Magazin publizierte einmal, dass vor allem drei Personen unser tägliches Verhalten und auch unsere Qualitätsbegriffe in der westlichen Welt beeinflussen. Charles Darwin, Sigmund Freud und Frederick Taylor.
Darwins Maxime heisst " survival of the fittest - der Stärkere setzt sich durch". Das führte in der westlichen Welt zu unendlichen Wachstumsgedanken und zum Konkurrenzverhalten. Eine Alternative dazu wären Gemeinwohlstreben und Kooperation.
Freud hat uns die psychologische Ebene bewusst gemacht. Er galt als Begründer der Psychoanalyse. In der heutigen Zeit könnte zu Freuds Psychoanalyse, die Work-Life-Balance die Achtsamkeit und die Selbsterkenntnis ergänzt werden, um Wege aus dem Hamsterrad zu finden und als Burnout-Vorbeugung.
Taylor ist der Erfinder des Fliessbandes. Jeder ist nur noch für Teilabschnitte zuständig, kaum jemand hat einen Blick für das Ganze. Der Leitspruch ist Kommandieren und Kontrollieren (Command and Control) und führt zu schneller, besser, billiger. Diese meist unmenschliche Effizienz beeinflusst uns immer noch. Sie wurde schon 1936 im Film Modern Times von Charly Chaplin parodiert. Prozessmanagement ist das Gegenteil der Fliessbandarbeit und führt zu gemeinsamen Werten, wie World-Life-Balance, Ganzheitlichkeit, Nachhaltigkeit und gelebter Unternehmens Kultur.
Alle diese drei meist unbewussten Grundlagen von Darwin, Freud und Taylor beeinflussen unsere westliche Kultur, sind aber kein Naturgesetz. Im Gegenteil diese Theorien wurden oft wiederlegt. Alle drei behindern das Prozessmanagement.
Selbsterkenntnis und Work-Life-Balance
Das Beobachten des eigenen Verhaltens im Alltag sowie die Selbstreflexion sind Zentral. Achtsame Selbsterkenntnis und zu erkennen wer ich bin führt zu authentischem, stimmigem, bewusstem Handeln und zur Work-Life-Balance. Work-Life-Balance umfasst die vier Dimensionen Lebensvision, Beruf, soziales Umfeld, Körper und Gesundheit.
Vier-Schichten-Persönlichkeitsmodell
Dieses Modell stammt ursprünglich von Wilhelm Reich. Er geht davon aus, dass wir Menschen uns mit einer Panzerung vor Wiederständen und Übertragungen schützen. Alte stressige oder schwierige Erlebnisse führen zu einem Charakterpanzer. Diese erstarrten Lebensgeschichten sind in vier Schichten dargestellt:
1. Anpassung
2. Abwehrende Gefühle wie Hass, Wut, Neid, und Eifersucht
3. Abgewehrte Gefühle wie Verletzlichkeit, Trauer und Einsamkeit
4. Das wahre Selbst bildet die Mitte und die Essenz
Diese Essenz ist das Ergebnis achtsamer Selbsterkenntnis, welche im täglichen Leben geübt und praktiziert werden muss. Das führt meines Erachtens zu wahrer Qualitätssicherung.
Achtsame Unternehmensführung
Auf dieser zwei Jahre dauernden Reise, effektiv waren es 30 Jahre, ins Zentrum der Qualität wurde uns einmal mehr bewusst, dass Selbsterkenntnis, Achtsamkeit, Ganzheitlichkeit, Vertrauen, Fairness, Verantwortung, Würde, Kooperation, Nachhaltigkeit und Gesundheit zu unserer Prozesskultur, Qualität und Excellez gehören. Seit Jahrzehnten gründen das Management, die Prozessentwicklung und die Prozessführung unserer Projekte auf diesen Werten. Kritiker bemerken oft, dass achtsame Unternehmenskultur gleichbedeutend ist mit fehlendem Management und Selbsterkenntnis zu Anarchie führt. Für uns ist Achtsamkeit eine Form von Management welche bereits in vielen Betrieben erfolgreich praktiziert wird. Selbsterkenntnis ist ein Weg der zu authentischem, stimmigem, bewusstem Handeln und zu Work-Life-Balance und World-Life-Balance führt.
© Andreas Ledermann, Bahamas 03.02.2015